Schluchtensteig Tag 0 – Anreise Ludwigsburg nach Stühlingen
Fotoalbum des Anreisetages: https://photos.app.goo.gl/5rAigdubcRvUg3SS8
Also, es geht endlich wieder los, auf eine mehrtägige Wanderung, auf die ich euch ein bisschen mitnehmen möchte. Dieses mal ist es der Schluchtensteig, eine 6-tägige Tour durch den Süden des Schwarzwalds. Eigentlich sollte ich ja auf dem Hebridean Way im äußersten Nordwesten der britischen Inseln unterwegs sein und mir den Atlantikwind um die Ohren wehen lassen, aber eine uns allen bekannte Pandemie hat das verhindert. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und die Hebriden werde ich hoffentlich nächstes Jahr nachholen.
Statt mit dem Eurostar durch den Chunnel zu düsen, bin ich also mit Stef nach Ludwigsburg gefahren und statt meinen alten Ringkrieg-Mitspieler Andrew in York zu treffen, sehe ich endlich die Dänemark-Fahrer Frank, Frank und Heiko wieder. Nach einem gemeinsamen Abendessen beim Italiener, einem netten Abend mit viel Quatschen und einer erholsamen Nacht, soll es dann heute mit der Bahn nach Stühlingen gehen, dem Start der Wanderung. Der Zug von Ludwigsburg geht aber erst um 12:30 so dass Stef, Frank und ich nach dem Frühstück noch Schloss Monrepos anzuschauen, eines der kleineren Lustschlösser der Württemberger Herzöge. Wir wandern um den See und laufen ein Stück des Planetenweges, bevor es Zeit wird, mich zum Bahnhof zu bringen.
Und da schießen die zahlreichen Baustellen, von denen Ludwigsburg durchsetzt ist, erst mal quer und lassen uns nicht zum anvisierten Bahnhofseingang. Also lasse ich mich etwas weiter weg absetzen, um den Rest des Weges zu Fuß zu machen. Dummerweise hat es gerade auch angefangen zu regnen. Da ich mich natürlich etwas beeilen muss, stehe ich am Bahnhof dann im Schweiß, und die Maske ist besonders nervig. Aber immerhin habe ich es rechtzeitig geschafft.
Von Ludwigsburg geht es nach Stuttgart und von dort weiter mit dem IC nach Ulm. Alles ganz entspannt, pünktlich und mit viel Platz. Lässt sich ja gut an. Aber dann Ulm. Der Interregio Express in Richtung Basel ist auf den Gleis 7 verlegt. Okay, kein Problem. Auf Gleis 7 steht aber kein Interregio. Ja, der wurde ja auch wieder auf 3 zurückverlegt. Ich bin ja eben auch nur auf 2 angekommen, wo ich einfach auf die anderen Seite in den Zug hätte fallen können. Also wieder auf die Überführung hochgehastet und zurück zu Gleis 3. Aber da hasten ziemlich viele andere Fahrgäste mit mir zusammen. Wollen die alle in den kurzen Zug? Ja wollen sie. Es ist gerammelt voll. Einen Sitzplatz kann ich sowieso vergessen, also zwänge ich mich zwischen ein paar Fahrräder, zahlreiche Koffer und einige frustrierte andere Fahrgäste. Dann fährt der Zug dazu einfach nicht los. Erst mit zwanzig Minuten Verspätung geht es endlich los.
Glücklicherweise habe ich sowieso ziemlich lange Umsteigezeit in Tiengen (fast eine Stunde), so dass ich relativ entspannt bleibe. Unter den frustrierten Mitfahrern – ein Trio Heavy Metal Fans, die in die Schweiz zu einem Festival wollen, eine Familie mit zwei etwa 4 und 6-jährigen Jungs, die aus dem Urlaub nach Hause kommen, und ein junges Pärchen mit einem noch fast neugeborenen Baby – bildet sich so etwas wie eine verschworene Leidensgemeinschaft und es wird recht nett. Die Metaller packen Dosenbier aus und verteilen es in der Runde.
Über Biberach, Ravensburg und Singen (ja, das ist ein ganz schön großer Umweg, den man da fährt), geht es in Richtung Schweiz. In Radolfzell ergattere ich endlich einen Sitzplatz, aber da sind wir auch schon fast in Tiengen, wo ich die Bahn verlasse (der Rest der Truppe ist schon in Singen umgestiegen) und den Rest mit dem Bus mache. Draußen regnet es durchgehend stark, aber der Wetterbericht ist hoffnungsvoll: morgen soll es besser werden.
Der Bus wird immer leerer, während das Tal um uns herum schmaler und die Hügel höher werden. Ich bin schließlich der vorletzte Fahrgast, als wir Stühlingen erreichen, und ich praktischerweise direkt gegenüber von meinem Hotel aus dem Bus steige. Der Landgasthof Hotel Rebstock ist ein uriger Bau, der mich gut auf den Schwarzwald einstimmt.
Mein Zimmer ist im Gästehaus gegenüber – ein sehr witziges Haus, das ganz offensichtlich nicht als Hotel oder Gasthaus gebaut wurde – aber die Zimmer sind sehr schön eingerichtet und gemütlich. Auch das Abendessen ist eher rustikal – Rumpsteack auf dem heißen Stein – aber sehr lecker. Die Gaststube ist voll, und unter den ganzen Schweizern, Schwaben und Bayern fühle ich mich als Preuße als ziemlicher Exot. Ich muss auch häufiger mal eine Frage oder Antwort wiederholen, weil sie nicht sofort verstanden wird. Liegt das nun an der Maske oder am Dialekt? Oder an der Kombination? Wer weiß.
Auf jeden Fall bin ich nun satt und müde und freue mich drauf, morgen von diesen Kalorien wieder etwas abzuarbeiten. Mal schauen, was der Regen mit den Wegen gemacht hat. Hoffentlich wird es nicht zu schlammig!
Auf dem Schluchtensteig Tag 1 – von Stühlingen nach Blumberg
Die Fotos des Tages: https://photos.app.goo.gl/kqXD2HRDzR79fd8h9
Nach einer guten Nacht geht es also los mit der Wanderung durch den Schwarzwald. Im Rebstock bekomme ich ein gutes Frühstück und kann mir für ein paar Euro auch mein eigenes Lunchpaket zusammenstellen. Zuerst ist es noch neblig, aber als ich meine Sachen organisiert und ausgecheckt habe, lichtet sich das, und die Sonne kommt langsam hervor. Ich werfe also den Rucksack auf den Rücken, aktiviere das GPS, und lade den Track 1 von 6…. äh… wieso ist da nur ein Track auf meinem GPS-Gerät? Und warum ist das Etappe 6 und nicht Etappe 1? Ach, verdammt, da ist mal wieder was beim Kopieren vom PC auf das Garmin schief gegangen. Kann ich noch schnell den Laptop aus dem Fahrgepäck fischen, um den richtigen Track zu laden? Hm, rausholen und anschließen kann ich ihn zwar, aber der Laptop hat die Tracks überhaupt nicht drauf… super Vorbereitung, Ralf, ganz große Klasse!
Eine normale Karte habe ich mir diesmal ausnahmsweise auch nicht zugelegt, sondern ganz auf die elektronischen vertraut. Ach was soll’s, der Schluchtensteig wird schon ordentlich ausgeschildert sein. Nur den Startpunkt muss ich finden! Also schnell die Outdooractive App installiert, und ja, da ist der Steig auch schnell geladen. Schau mal, geht auch alles nur mit dem Telefon. Irgendwann wird mein GPS überflüssig sein, mal schauen wie lange ich mich noch daran klammere.
Über einen steilen Kopfsteinpflasterweg führt mich die App hinunter zum Wanderparkplatz für den Schluchtensteig, wo man sein Auto tatsächlich eine ganze Woche umsonst stehen lassen kann. Von hier geht es in den neueren Ortskern von Stühlingen, und auf dem Weg lerne ich schon die ersten Mitwanderer kennen. Ein Pärchen startet auch gerade, und schon bei der Begrüßung höre ich, dass sie nicht von hier sind. Viel zu Hochdeutsch! Auf die Frage kommt eine mir selbst sehr vertraute Antwort: “Aus der Nähe von Köln.” Ha! Es ist Jülich, wie sich herausstellt. Die beiden wandern auch den kompletten Schluchtensteig in sechs Tagen, genau wie ich. Da wird man sich sicher noch häufiger sehen.
Wir haben auch ein ähnliches Tempo, aber ich werde abgelenkt, als wir den offiziellen Startpunkt des Schluchtensteigs mitten in Stühlingen erreichen. Ein Ehepaar mit Tochter kämpft gerade mit dem Selbstauslöser der Kamera um ein gemeinsames Foto vor der Infotafel zu machen. Der hilfesuchende Blick spricht mich sofort an, und ich eile zu Hilfe um den Fotografen zu spielen. Ganz uneigennützig, aber sie könnten ja auch gerade noch ein Foto von mir machen? Machen sie! Die drei kommen aus Norddeutschland, und ihrer höchste Erhebung zuhause sind die Harburger Berge mit 155m. Mal schauen, wie sie sich hier schlagen. Sie scheinen aber ein langsameres Tempo anzuschlagen, denn (Spoiler-Alarm) ihnen werde ich im Laufe des Tages nicht wieder begegnen.
Der Schluchtensteig führt zuerst in nördlicher Richtung flussaufwärts entlang der Wutach, bevor er am zweiten Tag nach Westen schwenkt und dann langsam wieder südwestlich weitergeht. Die Wutach hat ordentlich Wasser, aber von Überschwemmungen ist nicht zu sehen. Allerdings ist alles noch sehr nass, und nach einigen ziemlich überwucherten Abschnitten am Flussufer bin ich so nass, dass ich auch knietief durch den Fluss gewatet sein könnte.
Hier wird an der Wutach schwer gearbeitet und gebaggert (also nicht heute, denn es ist Sonntag, aber sonst), und es wirkt, als ob man angesichts der aktuellen Hochwasserkatastrophen mehr Platz für die Wutach schaffen wollte. Aber tatsächlich, so belehrt mich eine Informationstafel, ist man schon länger dabei, die Wutach zu renaturieren und eine natürliche Aulandschaft wieder herzustellen.
Ich passiere das futuristische Gebäude der STO SE & Co KGaA und erreiche den Talbahnhof der Sauschwänzlebahn, einer historischen Bahnstrecke, die noch, natürlich zu touristischen Zwecken, mit Dampflokomotiven betrieben wird. “Sauschwänzle” heißt sie, weil die Strecke eine 360° Kehre enthält um den erheblich Höhenunterschied zu überbrücken.
Über eine Höhe auf der anderen Talseite geht es einmal hinüber wieder zur Wutach, wo das Tal enger wird und die “Wutachflühen” bevorstehen. Der Name beschwört bei mir zuerst Bilder von Auen und Talwiesen hervor, aber tatsächlich ist Flühe ein altes Wort für Felsen und es handelt sich um das genaue Gegenteil. Steile Felswände, die sich über der Wutach erheben, und unter denen sich der Pfad am Steilhang entlang windet. Hier soll der Wanderer auf jeden Fall “trittsicher und schwindelfrei” sein, und bei schlechtem Wetter wird eine Ausweichstrecke empfohlen. Das Wetter ist alles andere als schlecht, aber was ist mit dem Regen gestern? Na, ich will es auf jeden Fall probieren.
Vorher könne ich mir noch eine Rast unter der Wutachbrücke der Sauschwänzlebahn, und hier überholen mich die Jülicher wieder, die ich auch immer mal wieder kurz hinter mir erspäht hatte. Die Pause hat aber auch den positiven Nebeneffekt, dass ich die Dampflok zu sehen bekomme als sie über die Brücke schnauft, Bisher hatte ich sie nämlich immer nur aus der ferne Pfeifen hören.
Nun geht es also an die Wutachflühen und zuerst bin ich ganz froh, denn im Gegensatz zum vorherigen Wegstück ist es relativ trocken. Ja, der Weg ist schmal und eng und linker Hand geht es steil hinunter. Hier und da sind auch ein paar Bachläufe, die den Hang herunter kommen, recht ausgewaschen, aber im Großen und Ganzen ist es nichts Gefährliches. Kein Grund zur Umkehr.
Nach der Hälfte wird es aber langsam matschiger und rutschiger. Der Schlamm ist gerade so ein bisschen angetrocknet, dass er fies an den Schuhen klebt aber glitschig wie Schmierseife ist. Einmal rutsche ich aus, kann aber das Gleichgewicht halten und schaffe es die ganze Strecke ohne Sturz zurück zu legen. Uff, das war schon mal anstrengend, und ich bin heilfroh, als sich das Gelände vor mir wieder öffnet. Hier treffe ich auch die Jülicher wieder, die ihre Pause nach der anstrengenden Passage einlegen.
Nun geht es hinauf zum Buchberg, hinter dem das Ziel des Tages, Blumberg, liegt. Ein Paar Bussarde legt für mich eine wunderbare Flugshow ein, und ich beobachte sie eine ganze Weile, wie sie über einem abgearbeiteten Feld kreisen, hinab stoßen, wieder aufsteigen, und sich gelegentlich ein bisschen gegenseitig jagen. Wunderschön!
Mit 876m ist der Buchberg auch ganz schön hoch, und der Schluchtensteig kennt wenig Erbarmen in den Anstiegen. Steil und geradeaus geht es hinauf, und ich komme ordentlich ins Schwitzen. Am Ende der schlimmsten Steigung zeigt ein Wegweiser den “Direkten Weg nach Blumberg, 1km”. Verdammt, das ist verlockend. Der Schluchtensteig geht noch über den Gipfel und braucht weitere 3km um das Ziel zu erreichen. Aber ich bin ja nicht zum Spaß hier! Oder doch? Nein, ich würde es mir niemals verzeihen, solch eine Abkürzung zu nehmen (zumindest nicht am ersten Tag), und nehme den “richtigen” Weg.
Tatsächlich belohnt mich der Buchberg mit dem ersten wirklich grandiosen Panoramablick der Wanderung. Die Alpen kann ich zwar nicht erspähen, dafür ist die Weitsicht nicht gut genug, aber den Feldberg kann ich immerhin ausmachen. Jetzt kommt nur noch ein steiler Abstieg und dann Blumberg.
Habe ich “nur” gesagt? Dieses letzte Stück wird das fieseste des ganzen Tages. Der Abstieg verwandelt sich nach kurzer Zeit in ein einziges Schlammloch. Normalerweise sage ich ja, dass jemand, der den Rakiura Track auf Stewart Island gewandert ist, sich nicht von ein bisschen deutschem Matsch schrecken lässt, aber das Problem hier ist die Steigung. Würde ich normalerweise einfach durch den Matsch stapfen, muss ich hier höllisch aufpassen, dass die Füße nicht unter mir weggehen, und ich rücklings im Schlamm liege. Es ist ein kleines Wunder, dass ich am Ende nur bis zu den Waden verschlammt bin, und mich nicht lang auf den Rücken gelegt habe.
Endlich erreiche ich den Ortsrand von Blumberg. Das Örtchen hat eher keinen besonderen Charme, aber es ist übersichtlich und ich finde schnell mein Hotel “Zum Hirschen” direkt an der Hauptstraße. Ich bin relativ früh, aber man kann auch schon ab 15 Uhr einchecken, so dass ich nur ein paar Minuten warten muss. Alles klar, kein Problem, die total verdreckten Wanderschuhe kann man man hinter dem Haus reinigen und in der Diele stehen lassen.
Aber auf dem Zimmer das Schlimmste, was mir am Ende einer anstrengenden Wanderung passieren kann: Kein heißes Wasser! Eine Nachfrage beim Wirt liefert eine etwas unglaubwürdige Erklärung, dass ein Gast versehentlich die Heizung abgeschaltet habe (Schalter direkt neben dem Licht) und man das erst gerade bemerkt habe. Ich vermute eher, dass man die Heizung zwischen dem Morgen und dem Abend abgeschaltet hat, weil da eh kein Gast heißes Wasser braucht. Und ich bin so früh, dass es noch nicht wieder heiß geworden ist. Um vier ist es dann immerhin wieder lauwarm, so dass ich mich unter die Dusche schwingen kann. Aber schön ist anders. Auch an der Versorgung mit Duschgel und Shampoo spart man. Es gibt zwar einen Spender in der Dusche, aber das ist nur einfach Seife, die zum Haare waschen nicht so toll ist.
All das macht mich nicht besonders erpicht auf das Abendessen im Hotel und so bemühe ich Google nach Alternativen. Tatsächlich findet sich ein sehr gut bewerteter Italiener in Blumberg, den ich fürs Abendessen auserwähle. Die Pizzeria Toscana ist ein echtes italienisches Familien-Restaurant, und es macht Spaß zu sehen, wie der Patron mit vielen Stammgästen quatscht und sich um alles bemüht. Die Spaghetti sind hervorragend und das Tiramisu göttlich. Ich bin mit Blumberg versöhnt. Zurück im Hirschen kann ich mich auch nett noch in den Schankraum setzen und bei einem (oder zwei) Bier mein Tagebuch schreiben, bis ich als letzter Gast aufgebe und diese allerletzten Zeilen noch auf dem Zimmer schreibe. Es ist erst 21:30, aber die Wanderer gehen halt früh ins Bett.
Morgen steht die Wutachschlucht mit vielen kleinen, aber gemeinen Anstiegen an. Drückt mir die Daumen, das sie nicht zum schlammig wird! Gute Nacht, euer Ralf.
Schluchtensteig Tag 2 – Durch die Wutachschlucht zur Schattenmühle
Bilder des Tages: https://photos.app.goo.gl/Nb6jepmRtHqYotiz7
Es ist ganz schön spät geworden als ich mit dem Tagebuch anfange, denn heute musste ich nach der Wanderung noch den Bus zu meinem Hotel nehmen, und mit Abendessen, Fotos sichten und allem drum und dran, ist es schon halb neun. Fast mitten in der Nacht für den Wanderer. Aber der Reihe nach.
Heute morgen schafft es das Hotel “Zum Hirschen” mich noch ein bisschen weiter zu versöhnen, denn das Frühstück ist gut, und die Brötchen, die man sich fürs Lunchpaket schmieren kann, günstig. Das Wasser ist zwar nie mehr als warm geworden (heiß gibt es hier nicht), aber heute morgen reicht das völlig aus. Allenthalben hört man das “klopp, klopp, klopp” der Gäste, die ihre schlammigen Stiefel und Hosen ausklopfen, denn das Hotel ist nun wirklich gut gefüllt mit zünftigen Wanderern. Weder meine Jülicher noch die Nordleute sind hier, aber erkenne das eine oder andere Gesicht wieder, dass ich gestern gesehen habe. Hier sieht man dann doch, dass Weitwanderer im Tourismus ein wichtiger Teil sein können.
Das Hotel liegt quasi auf dem Schluchtensteig, und so brauche ich nur aus der Tür zu fallen und meinem Track folgen. Ja, gestern habe ich meine elektronische Navigation nämlich noch überarbeitet und alles notwendige auf mein Garmin geladen. Puh, ich fühlte mich schon merkwürdig orientierungslos.
Nach dem gestrigen Abstieg vom Buchberg hatte man das Gefühl, ziemlich “unten” angekommen zu sein, aber in WIrklichkeit liegt Blumberg noch ein gutes Stück höher als die Wutach, und es geht durch die kurze Klamm des Schleifenbachs steil nach unten, inklusive Wasserfall, Leiter und Brücke über den Bach. Es ist längst nicht so schlammig wie gestern, aber trotzdem geht der Abstieg ganz gut in die Beine. Sagte ich eben was von “orientierugnslos”? Tja, trotz korrektem Track nehme ich eine falschen Abzweigung und beginne wieder nach oben zu klettern. Hm, da stimmt doch was nicht? Der Track geht eindeutig anders weiter.
Ein näherer Blick auf das Wegesymbol, dem ich folge, zeigt mir den Fehler. Anstatt der dunkelgrünen Raute mit dem kleinen Gekringel in der Mitte, bin ich der dunkelblauen Raute mit dem leicht anderen Gekringel gefolgt. Leute, macht doch eure Wegmarkierungen ein bisschen klarer zu unterscheiden! Also wieder umgedreht und ein paar steile Extrameter zusätzlich bergab.
Ich merke den Abstieg tatsächlich ziemlich stark in den Beinen, als ich schließlich Achdorf und Aselfingen unten im Flusstal erreiche, und mache mir ein bisschen Sorgen. In der Wutachschlucht soll es immer mal wieder hoch und runter über verschiedene Felsen gehen. Hoffentlich wird das nicht unangenehm.
Aber vorerst geht es gemütlich mit nur leichten Auf und Ab durch die Wälder und Auen entlang der Wutach. Ich überhole noch ein paar frühe Aufbrecher aus Blumberg, und dann lasse ich entweder alle anderen hinter mir, oder alle die noch vor mir waren, sind schneller als ich. Bei Kilometer 6 bis 7 erreiche ich die Wutachmühle, eine alte Sägemühle, die inzwischen auch Hotel ist. Hier geht es nun in die “richtige” Wutachschlucht und das Tal wird schnell enger.
Eine klassische überdachte Holzbrücke (der “Kanadiersteg”) führt bei der Mündung der Gautach über den Fluss, und obwohl ich eigentlich auf meiner Seite bleiben werde, überquere ich sie und mache am sonnenbeschienenen gegenüberliegenden Ufer Rast. Noch ist wenig los, und das Plätzchen an den beiden Flüssen ist wirklich idyllisch. Dann taucht eine etwas größere und lautstarke Familientruppe auf, denen ich noch schnell bei einem Gruppenfoto als Fotograf aushelfe und dann vor ihnen flüchte.
Jetzt wird der Uferstreifen immer enger, und der Weg windet sich über Wurzeln und Steine zwischen Felswand und Wutach dahin. Hier und da gibt es ein Schlammloch und ein bisschen matschig ist es meistens, aber gegenüber gestern ist das Pillepalle. Auch die kurzen Auf- und Abstiege stellen sich als harmloser als befürchtet heraus, und die Sorgen um meine Beine sind schnell vergessen. Dafür wird es bald wieder etwas voller, denn die Wutachschlucht ist allgemein ein beliebtes Ausflugsziel, und der Tag ist nun weit genug vorangeschritten, dass man sie von den diversen Wanderparkplätzen in der Umgebung erreicht hat.
Überfüllt wird es nie, auch wenn man gelegentlich mal an einer engen Stelle (davon gibt es viele) hinter ein paar Sonntagswanderern (davon gibt es auch viele) aufläuft und einen Gang runter schalten muss. Auch wenn die Wege für mich okay sind – nicht jeder ist wirklich gut vorbereitet. Mir kommen zwei niederländische Jungs entgegen, mit Baseballkappen, Shorts und weißen Marken-Turnschuhen, die sich schon mit einer besseren Pfütze schwer tun. Jungs, nur ein paar Dutzend Meter hinter mir kommt ein richtiges Schlammloch. Da werdet ihr Spaß haben. Aber im Großen und Ganzen sind die Leute auf die Wege eingestellt und kommen gut zurecht, seien sie alt oder jung.
Immer wieder gibt es Kiesbänke in der Wutach, die man vom Ufer erreichen kann, und die für Picknicks genutzt werden. Ich suche mir irgendwann eine schöne Stelle, an der ich von einem Felsen am Ufer die Füße über dem Fluss baumeln lassen kann und lege eine weitere Rast ein.
Kurz darauf erreiche ich das ehemalige Bad Boll. Hier stand Ende des 19. Jahrhunderts ein mondänes Kurhotel, aber heute sind davon nur noch eine alte Kapelle und zwei riesige Douglasien übrig. Der Weg überquert ein weiteres Mal die Wutach und klettert am anderen Hang etwas weiter weg vom Fluss hinauf. Ich wundere mich ein bisschen, aber dann kommt die andere Talseite wieder in den Blick – und ein riesiger Erdrutsch. Wie ich später lese, ging der 2017 ab, und man musste den Wanderweg aus dem Flusstal verlegen. Nicht schlimm, so komme ich zu einem Abschnitt breitem Schotterweg, auf dem ich zur Abwechslung mal wieder die Beine strecken kann. Nach den Unsicherheiten vom Morgen merke ich, dass ich nun in den richtigen Rhythmus komme – ich habe mich eingelaufen, und die Beine freuen sich über die Bewegung.
Auch als es wieder zur Wutach runtergeht, und der Weg ein letztes Mal knorrig und widerspenstig wird, habe ich keine Probleme mehr. Wie ein junges Reh springe ich über Stock und Stein … na gut, na gut, vielleicht nicht ganz so wie ein junges Reh.
Auf jeden Fall erreiche ich bald die Schattenmühle (wieder ein ehemaliges Sägewerk, jetzt Hotel und Restaurant), den Endpunkt der heutigen Etappe. Außer dem einen Hotel gibt es hier nichts, d.h. man nimmt den Wanderbus nach Norden (Löffingen) oder nach Süden (Bonndorf), um zu seinen Unterkünften zu kommen, es sei denn, man ist einer der wenigen die ein Zimmer in der Schattenmühle ergattert hat. Ich muss nach Löffingen, aber tatsächlich bin ich viel zu früh für den Wanderbus. Der erste fährt nämlich erst wieder um halb vier, und wir haben gerade erstmal halb drei. Ich war wirklich flott, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, mich beeilt zu haben.
Also gönne ich mir ein isotonisches Kaltgetränk in der Schattenmühle und vertreibe mir die Zeit damit, die anderen Wanderer zu beobachten – Handyempfang hat es hier nämlich nicht. Ein paar von denen, die ich unterwegs überholt habe, laufen ein, aber niemand Bekanntes vom gestrigen Tag oder dem heutigen Morgen im Hotel.
Als dann der Wanderbus mit ein paar Minuten Verspätung kommt, bin ich der einzige Fahrgast. Die Fahrt zum Bahnhof in Löffingen ist auch nicht besonders lang, und ich komme um vier dort an. Noch zu früh zum Einchecken im Hotel, das macht nämlich erst um 17 Uhr auf, also gönne ich mir noch einen Eisbecher (Erdbeerbecher natürlich) am Stadttor und Rathaus (sehr hübsch!) und ruhe mich ein bisschen auf einer Bank am Sportplatz aus.
Das Hotel Hexenschopf firmiert als Wellness-Hotel ist aber von der Zimmereinrichtung eher einfach. Aber das Wasser ist richtig heiß! Da haben sie schon gewonnen. Ein angeschlossenes Restaurant gibt es auch, und wenn der Lachs an Bandnudeln mit frischen Pfifferlingen keine Preise gewinnen wird, ist es lecker und macht satt. Nur schade, dass die Bar geschlossen hat, und ich meinen Tagesbericht auf dem Zimmer schreiben muss. Aber das ist hiermit dann auch erledigt und dank guten WLANs kann ich sicher noch ein bisschen im Internet schmökern, bevor ich einschlafe.
Morgen geht es mit dem Bus wieder zurück zur Schattenmühle, weiter durch das Wutachtal, bis ich es in Richtung Schluchsee verlasse. Mal schauen wie das wird!
Schluchtensteig Tag 3 – Von der Schattenmühle nach Fischbach
Die Bilder des Tages: https://photos.app.goo.gl/JYDDeh66go1eMXme7
Während mein PC verzweifelt versucht, die Fotos des Tages über die grottige Internetverbindung in Fischbach ins Internet zu schaufeln, kann ich ja zumindest schon mal mein Tagebuch schreiben. Mal schauen, vielleicht gibt es die Fotos dann erst mitten in der Nacht, oder morgen.
Heute morgen sah das noch ganz anders aus, in Löffingen war das Internet ganz fluffig. Auch ansonsten hat es Vorteile, wenn man in einem Hotel übernachtet, das nicht unbedingt auf Wanderer ausgerichtet ist. Auf meine Nachfrage nach einem Lunchpaket bekam ich einfach eine Plastiktüte und die Ansage, mir am Buffet ein paar Brötchen zu schmieren – ohne irgendwelche Kosten. Auch in den anderen Hotels ist das jetzt nicht teuer – etwa 2-3 Euro pro Brötchen – aber im Hexenschopf war es einfach inklusive.
Auch dass es Frühstück erst ab 8 gibt, stellt sich als kein Problem heraus. Eigentlich dachte ich, dass ich deswegen den Wanderbus um 8:50 Uhr nicht bekomme, aber alles läuft so glatt und schnell, dass das tatsächlich noch klappt. Sogar noch mit ein bisschen Wartezeit zusammen mit dem ungefähr ein Dutzend anderen Wanderern, die sich so früh von Löffingen auf den Weg machen. Die Stimmung ist gut und die Themen weniger der Schlamm und das Wetter (das sehr gut vorhergesagt ist), sondern eher die gestrigen Erlebnisse, die Arten von Wegen und ihre Wirkung auf die Knie, und ob nun bergab oder bergauf besser ist.
Der Bus bringt uns schnell und problemlos zum Wanderparkplatz Schattenmühle, und so kann ich um kurz nach neun den heutigen Tag richtig starten. Richtig gesagt eigentlich mit angezogener Bremse, denn der gleichzeitige Aufbruch all dieser Wanderer verstopft den Schluchtensteig erstmal ein wenig, weil sein erstes Stück auf einer engen Treppe nach oben geht, und Überholen nicht angesagt ist.
Aber bald lichtet sich das Feld und man zieht sich in Kleingruppen, oder wie bei mir alleine, auseinander. Ein junger Wandersmann, der eigentlich zu einer Gruppe von drei gehört, bricht aus und setzt sich leicht ab, bis ihn ein ungeplanter Boxenstopp (er muss seine Hosenbeine abmachen) die Führung kostet und ich die Spitze des Feldes übernehme. Okay, ich sollte vielleicht aufhören in Rad- und Motorsport-Kategorien zu denken. Der Weg ist das Ziel usw., nicht wahr?
Das erste besondere Ziel des Tages ist schon nach 2km erreicht: das Räuberschlössle, eine Felsformation hoch über der Wutach. Hier stand tatsächlich mal eine kleine Burg, aber davon ist nichts mehr zu sehen. Man kann ein wenig in die Schlucht hinunter spähen, aber großartige Aussichten gibt es eher weniger.
Von hier aus geht es weiter durch die Wutachschlucht, mal nah am Ufer, mal hoch im Steilhang über der Schlucht. Ich passiere ein altes Wasserkraftwerk (eines der ersten seiner Art in dieser Gegend), aber dessen Staustufe ist offen und das Wasser des Reservoirs ist abgelassen. Ein geländegängiger Bagger ist dabei den Talgrund auszubaggern, und ich muss einem Laster ausweichen, der über den engen Waldweg Abraum wegschafft.
Endlich lasse ich die Baustelle hinter mir, tauche wieder in die urwüchsige Schlucht ein. Als mein Pfad auf einen etwas größeren Weg trifft, erschrecke ich eine Reiterin auf einem Kaltblut – besser gesagt erschrecke ich das Pferd und sie braucht einen Moment, es wieder unter Kontrolle zu bringen. Entschuldigung! Ein bisschen weiter unten, da wo der Rötenbach in die Wutach mündet, treffe ich sie wieder als sie ihr Pferd im Fluss trinken lässt. Der große hat mächtig Spaß daran. Sie erzählt, dass es ein Schwarzwälder Fuchs ist, also ein Einheimischer!
Weiter geht es am Fluss entlang, bis ich den Zusammenfluss von Gutach und Harlach erreiche, die hier zusammen die Wutach bilden. Die Gutach kommt vom Titisee her, aber ich folge der kleineren Harlach in ihre enge Klamm und muss zwei große Felsen (Rechen- und Höllochfelsen) überklettern, wobei mich der Pfad hoch über die Schlucht führt. Eine Weile geht es etwas abseits des Flusses an einer alten Bahnstrecke weiter, und ich gönne mir ein Magnum bei einem kleinen Selbstbedienungscafé. Ganz in der Nähe steht ein weißes SUV mit großem Anhänger dabei – die beide ein SI Nummernschild haben. Wie hat es die denn hierher verschlagen? Wie eine Touristenkutsche sieht es eher nicht aus, beide im schlichten weiß, mit SI-DI und 8000er Nummer. Sagt irgendjemand von euch das etwas?
Leider ist niemand in der Nähe, den ich fragen könnte, also geht es weiter nach Lenzkirch, dem größten Ort (und einzigen außer dem Zielort) auf der heutigen Etappe. Am Ortseingang begrüßt mich ein Konzert aus Kuhglocken. Eine ganze Herde ist damit versehen, und da sie alle fleißig beim Fressen sind, klingelt und dongelt es ganz ausgelassen. Ich hoffe, die Anwohner sind daran gewöhnt!
Im schicken Zentrum gönne ich mir ein Radler gegenüber von Rathaus, und dann geht es weiter hoch zur Fischbacher Höhe, mit 1100m der “Höhepunkt” des heutigen Tages. Es sind zwar nur noch 4km bis Fischbach, aber schon die Höhenkarte hatte mir gezeigt, dass es heute zum Ende nochmal anstrengend wird. Durch den – eher unterwältigenden – “Geopark” von Lenzkirch geht es in Richtung der St Cyriak Kapelle. Vor mir leuchtet eine weiße Kopfbedeckung auf und ich frage mich, ob jemand ein Handtuch oder Hemd gegen die Sonne übergelegt hat. Aber nein, es sind zwei Nonnen, die hier in der Mittagssonne auf dem Weg zur Kapelle sind und mich schönredenderweise als “jungen Wandersmann” betiteln.
St Cyriak ist ein Nothelfer und Schutzpatron gegen das Böse, da kann es ja nicht schaden mal kurz Hallo zu sagen. In der Kapelle sehe ich ihn in Action, wie er einen Dämon aus der Tochter des Kaisers Diokletian austreibt. Also, jetzt nicht live, aber immerhin in Farbe auf seinem Heiligenbild.
Weiter geht es hart bergauf und ich komme in der Sonne gut ins Schwitzen. An idyllischen Schwarzwaldhöfen geht es immer weiter hinauf, und ich passiere ein Trio aus Jungs, die hier gerade ihre schweren Rucksäcke abgelassen haben und Pause machen. Sieht aus als würden sie Zelten und tatsächlich alles auf dem Buckel haben.
Schließlich erreiche ich die Höhe. Bei so einem Anstieg hofft man eigentlich automatisch auf eine Bank mit großartiger Aussicht über weite Landschaften auf der anderen Seite. Etwas antiklimaktisch ist es, wenn man auf einen Spielplatz stößt. Aber Fischbach ist nur einen halben Kilometer entfernt, und man ist eher auf ein Plateau hochgewandert, als auf einen Gipfel.
Aber immerhin gibt es hier einen brandneuen Trinkwasserbrunnen mit glasklarem, kalten Wasser, das mich zu meiner letzten Rast des Tages einlädt. Kurz nach mir kommen die drei Jungs heran geschnauft – die Rucksäcke sind wirklich Monster – und halten ebenfalls an. Wir unterhalten uns ein bisschen, und ich erfahre, dass sie tatsächlich den Schluchtensteig zeltend erwandern. Sie haben allerdings erst in Blumberg angefangen und daher glücklicherweise das erste, sehr schlammige Stück ausgelassen. Da sie schon über die gestrige Strecke in der Wutachschlucht ziemlich klagen, kann ich sie dazu nur beglückwünschen!
Ich verabschiede mich und lege die letzten 500m bis zum Hotel Hirschen (ja wieder ein Hirsch, nur ohne das “Zum”) in Fischbach zurück. Ich werde kompetent und freundlich begrüßt, aber was mich dann wirklich umhaut ist das Zimmer. Ein richtiger Schwarzwälder Balkon mit Geranien und großartiger Aussicht. Toll! Auch alles gut und modern eingerichtet (plus heißes Wasser), und das Abendessen stellt sich als vorzüglich heraus (Geschnetzelte Forelle mit Kirschtomaten und Pfifferlingen an selbstgemachten Nudeln, hmmm lecker). Dazu kommen zwei sehr nette Tischnachbarinnen aus Stuttgart, die auch gerade von ihrer Tagesetappe auf dem Schluchtensteig eingelaufen sind, und mit denen man prima über das Wandern fachsimpeln kann. Sie empfehlen mir sehr den “Westweg“, den sie letztes und dieses Jahr gelaufen sind und der wohl sehr, sehr tolle Weitsichten bereit hält.
All das lässt das kleine Manko dieses Ortes weit in der Hintergrund treten: Die Internetanbindung ist echt miserabel. Ein Netz habe ich überhaupt nicht, und das WLAN des Hotels wird mit mehr und mehr ankommenden Gästen immer schlechter. Mal schauen, vielleicht wird es ja nachher wieder besser, wenn die meisten im Bett sind.
Morgen geht es hinunter zum Schluchsee, daran entlang, wieder hinauf und schließlich nach St. Blasien. Langsam soll es wärmer werden, aber erst Donnerstag wird heiß und Freitag sind dann Gewitter vorhergesagt. Mal schauen, jetzt heißt es erst mal, gute Nacht!
Tag 4 – Am Schluchsee vorbei von Fischbach nach St Blasien
Bilder des Tages: https://photos.app.goo.gl/t1Fjn8tH6PPpg4Qe6
Hmmmm… bin ich satt, müde, zufrieden, ausgeplaudert und leicht gegrillt an diesem Abend. Schaffe ich es da noch ein Tagebuch zu schreiben? Mal schauen, was ich noch zusammen bekomme.
Nach einem weiteren guten Frühstück ging der Tag früh los und brachte mich als (anscheinend) einen der ersten Wanderer auf den Bildstein, einen 1034 hohen Gipfel mit großartigem Ausblick über den Schluchsee. Eine ganze Weile kann ich ihn allein genießen, bis ein Pärchen vom Schluchsee hochkommt und ich ihnen zufrieden das Feld überlasse.
Von hier geht es steil zum See hinunter, wo mich das geschäftige Treiben der Touristen und Ausflügler erwartet. Ich hatte mich auf den Weg um den See gefreut, finde mich aber leider auf einer Fahrrad-Autobahn wieder, die erstaunlich wenig Ausblicke auf den See bietet.
Das ist die bisher blödeste Strecke auf meiner Wanderung und ich bin heilfroh, als ich die Stelle erreiche, ab der es wieder hinauf in die Berge kommen soll. Hier liegt die “Vesperstube Unterkrummenhof”, die ich erst als Rastplatz ansteuern wollte. Aber dann stellt sie ich sich als riesiger Restaurantbetrieb mit Selbstbedienung heraus, die mich eher abschreckt. Also laufe ich lieber ein kurzes Stück den Weg hinauf, setze mich ins Gras in den Schatten eines Baumes und mache mich über mein Lunchpaket her. Mit dem tollen Blick über den See von hier geht es doch direkt viel besser!
Auf weiterhin breiten und Fahrrad-geeigneten Pfaden geht es hinauf. Na gut, dann koppele ich halt für heute das Großhirn von den Beinen ab und schalte auf Automatik. Die Sonne steigt immer höher und trotz der durchaus wanderfreundlichen Temperaturen bin ich über jeden Baum froh, der seinen Schatten noch auf den Weg wirft. Ich passiere unglaublich idyllische Szenarien von Schwarzwaldhöfen auf grünen Wiesen vor dunklen Tannenwäldern, jede Menge mit Glocken behängte Kühe, und das eine oder andere bekannte Gesicht (ich habe ziemlich lange da unten im Gras gesessen).
Insgesamt bleibt von dieser Strecke eher ein allgemeiner Eindruck von Sonne, breiten Wegen, Wiesen, Wäldern und Höfen hängen, als individuelle Dinge. Die Zeit verfliegt auch sehr schnell. Wie ich habe schon ein Drittel der heutigen Strecke hinter mir, die Hälfte, drei Viertel? Schon geht es hinunter nach St. Blasien und es kommt noch eine kleine Abwechslung am Schluss, die Windbergschlucht mit einem kleinen Wasserfall, damit wir das Thema des “Schluchtensteigs” nicht ganz vergessen.
Aus der hübschen, wenn auch sehr kurzen Schlucht, stolpere ich direkt nach St. Blasien hinein, und zwei Straßenecken weiter ragt der völlig überdimensionierte Dom über die Dächer. Das Städtchen wird von ihm und den umliegenden ehemaligen Klostergebäuden dominiert und hat ein dadurch ein ganz anderes Flair als die bisherigen Orte. Mein Hotel, das “Klostermeisterhaus” ist ein Teil dieser Anlagen und kann mit einer Sonnenveranda aufwarten, von der man direkt auf den Dom blickt. Hier gibt es erstmal ein leckeres Eis, denn mir ist an diesem sonnigen Tag doch ganz schön heiß geworden, wenn die Strecke auch nicht so anstrengend wie gestern war.
Auf dem Zimmer bemerke ich den ersten Verlust der Reise: Ich habe anscheinend heute morgen mein Ladekabel für das Handy im Hirschen liegen lassen. Na super! Glücklicherweise kann St. Blasien mit einem Elektroladen aufwarten, der auch den passenden Ersatz hat. Gerettet! Auf dem Weg durch den Ort – wo ich auch noch nach einem Sonnenhut Ausschau halte, aber keinen passenden für meinen dicken Schädel finde – treffe ich auch wieder Mitwanderer, es werden inzwischen schon alte Bekannte.
Mehr davon gibt es beim Abendessen auf der Sonnenterrasse des Klostermeisterhauses – es sind die beiden Jülicher ganz vom Anfang, die ich die letzten beiden Tage schon vermisst hatte. Wir beschließen kurzerhand uns zusammen zu setzen, und ich verbringe einen netten Abend mit Johanna und Daniel bei Wanderer-Salat, Lammkeule und Flammkuchen (also nicht alles davon auf meinem Teller). Die beiden kämpfen gerade etwas mit ihren Beinen bzw. Füßen, was sie verwundert, weil sie auch regelmäßige Wanderer sind, die auch in den Alpen bisher keine Probleme gehabt haben. Neue Schuhe? Der Schlamm und die Wurzeln an den ersten beiden Tagen? Zu lange nicht gewandert? Sie wissen es nicht so recht, hoffen aber auch die nächsten beiden Tage noch gut zu überstehen.
Die Rede kommt natürlich auf die Flutkatastrophe, die die beiden deutlich näher erlebt haben als ich. Jülich hatte eine starke Flutwarnung und Johannas Eltern wohnen auch noch in der Eifel, aber glücklicherweise ist es für sie bei einem überfluteten Keller ohne größere Schäden geblieben.
Inzwischen ist es nur noch eine Terrasse und keine “Sonnen”-Terrasse mehr und es wird deutlich kühler. Wir verabschieden uns für heute Abend und ich wünsche den beiden, dass ihre angeschlagenen Beine bald besser werden. Es sind ja nur noch zwei Tage auf dem Schluchtensteig und hoffentlich können sie sie genießen.
Ich bin heute ganz schön gebrutzelt worden und bin dementsprechend müde. Aber es sieht ja so aus, als hätte ich den Tagesbericht geschafft, wenn er vielleicht auch ein bisschen kürzer geworden ist als die letzten Tage. Das liegt aber auch daran, dass die heutige Etappe einfach ein bisschen unaufgeregter war als die letzten. Mal schauen, wie morgen der Weg nach Todtmoos aussieht. Bis dahin, gute Nacht!
Tag 5 – Von St. Blasien nach Todtmoos oder Kuhweiden und erahnte Alpen
Bilder des Tages: https://photos.app.goo.gl/k7rYRAZuFXtHKynU8
Was ist der Nachteil daran, auf Wanderungen nette Leute zu treffen und den Abend zu verquatschen? Genau, man hat immer weniger Zeit sein Reisetagebuch zu schreiben. Mal schauen, an was ich mich überhaupt noch erinnern kann.
Es ging mal wieder mit einem guten Frühstück los – ich muss sagen, die Durchschnittsqualität des Frühstücks ist hier im Schwarzwald ziemlich hoch. Zum ersten Mal war es kein Buffet, sondern auf Bestellung, aber trotzdem war das Lunchpaket kein Problem. Das Highlight war ein ausgezeichnetes Rührei mit Speck, da kommen doch glatt Erinnerung an britische Breakfasts auf der Insel auf. Na gut, keine weiße Bohnen in Tomatensauce und auch kein Kipper, da sind wir hier noch ziemlich weit von entfernt – für viele sicherlich “zum Glück”.
Nach der gestrigen Sonnenetappe muss ich mir eingestehen, dass ich mir doch besser mal eine Sonnencreme besorgen sollte, und ich ziehe durch St. Blasien auf der Suche nach einer offenen Drogerie. Aber das einzige, was ich finde, ist ein Reformhaus. Also Zähne zusammengebissen, nicht auf die Preisschilder achten, und hinein. Ich erstehe eine 50er Schutzmilch, die mich immerhin kein halbes Monatsgehalt kostet, auch wenn sie näher dran ist als mir lieb ist. Und dann heißt es im Kurpark erstmal ordentlich einschmieren.
Meine Wegbeschreibung hat mir für das Stück aus St Blasien hinaus einen “knackigen Aufstieg” versprochen, und ja, man hält hier, was man verspricht. Liegt es nur am steilen Anstieg, oder auch an der Sonnenmilch, dass mir der Schweiß nur so in Strömen übers Gesicht fließt? Es ist doch erst 9 Uhr! Oben angekommen werde ich direkt eine neue Schicht Sonnenschutz auftragen dürfen.
Dort oben findet sich die erste Station des Tages, der Aussichtsturm auf dem Lehenkopf, von dem man eine tolle Rundumsicht haben soll. Leider hat der Turm keine offene Plattform sondern ist geschlossen, mit nur ein paar relativ kleinen und dazu noch vergitterten Fenstern. Ja, man kann rumdum schauen, aber die Aussicht vom Pfannenbergturm zuhause ist besser. Da waren die Blick zurück auf St. Blasien beim Aufstieg deutlich besser.
Eine Dreiergruppe Wanderer (Eltern mit erwachsenem Sohn) war schon vor mir hier, und will gerade aufbrechen. Sohnemann ist aber gerade dabei seinen Eltern zu erklären, dass das bissche Rauchen des Feuers, dass er gemacht hat nicht schlimm ist und hier sowieso nichts anbrennen kann. Ich schaue mir das sehr skeptisch an und bin gar nicht glücklich, dass die drei dann bei noch schwelendem Feuer abziehen. Ich behalte die Feuerstelle noch eine Weile im Auge und glücklicherweise lässt der Rauch dann wirklich nach. Ich wünschte ich hätte mich getraut was zu sagen, bevor die drei weg sind, aber ich konnte mich nicht schnell genug durchringen.
Ein Stück weiter mache ich dann meine erste längere Rast und bald tauchen auf dem Pfad Daniel und Johanna auf, in Begleitung eines weiteren bekannten Gesichts der letzten Tage (“Carsten”) wie sich kurz darauf herausstellt. Ich bin gerade mit meinem zweiten Frühstück fertig und eine Weile wandern wir gemeinsam weiter. Wie sich herausstellt ist Carsten Wanderblogger (bergduft.com) und kommt aus Wiesbaden, also auch nicht so weit von Zuhause. Er erzählt mir, dass das Feuer oben am Turm tatsächlich wieder aufgeflammt war, und er es noch gelöscht hat. Da bin ich einerseits erleichtert, andererseits ärgere ich mich umso mehr über mich selbst. Ein Glück, dass es noch recht feucht überall ist.
Wir erreichen den ersten von mehreren Aussichtspunkten des heutigen Tages mit “Alpenpanorama”. Zuerst denke ich, dass man die Berge wegen des sommerlichen Dunstes überhaupt nicht sehen kann, aber doch, über dem Dunst kann man die dunklen Umrisse der Gipfel erahnen. Dort müssten Eiger, Mönch und Jungfrau sein. Bei richtiger Fernsicht muss der Blick großartig sein, er ist so schon richtig toll.
Die Dreiertruppe (ich sage immer noch nichts) und ein anderes junges Paar mit schweren Rucksäcken haben hier ebenfalls halt gemacht, so dass eine stattliche Gruppe zusammen gekommen ist. Lustig ist die Reaktion als Johanna von einer Biene gestochen wird, die zwischen Schuhlasche und Bein geraten war. Pinzette? Pflaster? Desinfekstionsmittel? Schmerzmittel (Ibuprofen 800)?, Verbandszeug? Cortisonsalbe? Whisky? Whisky!!!??? Alles ist vorhanden und wird sofort angeboten. Sie wird auf jeden Fall gut versorgt und angeblich hilft Bienengift ja gegen Rheuma!
Auf jeden Fall bleiben die beiden noch ein bisschen hier, während Carsten und ich weiter wandern und noch ein bisschen über das Wandern und Bloggen fachsimpeln. Aber schließlich bleibt auch er auf einer Steigung zurück, und ich bin wieder alleine unterwegs. Es geht über abwechslungsreichere Wege als gestern, über das Hochplateau zwischen St. Blasien und Todtmoos mit vielen Blicken auf die erahnten Alpen. Außerdem überquere ich zahlreiche Kuhweiden, wo immer wieder Schilder davor warnen, dich bitte mit Kühen keine Selfies zu machen und Abstand zu halten. Ist das das Ergebnis der in Österreich von einer Kuh getöteten Wanderin, was vor einiger Zeit durch die Presse ging? Möglicherweise.
Insgesamt gibt es leider nicht so viel Schatten an diesem Tag, die Sonne brennt herab und die Temperaturen steigen bis auf 26-27°C. Daher bin ich ganz froh, als sich der Weg endlich an den Abstieg nach Todtmoos macht. Auch heute gibt es wieder ein kleines “Trostbonbon” von Schlucht am Ende, auch wenn die Hochwehraschlucht eher noch weniger spektakulär als die Windbergschlucht von gestern ist. Aber es ist schön kühl und schattig, so dass ich eine lange genüssliche Pause am Bach mache.
Auch hier fällt man quasi aus der Schlucht nach Todtmoos hinein, dass an einer recht belebten Landstraße liegt. Insbesondere Motorräder sind viele unterwegs. Mit der Ducati als Dekoration ist die örtliche Pizzeria auch eindeutig auf Biker eingerichtet. Mein Hotel, das “Hotel am Kurpark” liegt am anderen Ende des Örtchens und ich durchwandere die “Flaniermeile” zweimal und gönne mir noch ein Eis, bis die Zeit zum Einchecken gekommen ist. Das Zimmer ist sauber und gut, nur die Lage (Blick auf den Schotterhof hinter dem Haus ist jetzt nicht die tollste bisher. Aber zum ersten Mal finde ich eine kleine Aufmerksamkeit auf dem Bett. Selbst wenn es nur winziges Stückchen Schokolade ist, finde ich das immer nett und fühle mich direkt besonders willkommen.
Nachdem ich geduscht und die Fotos sortiert habe, geht es an die Suche nach dem Abendessen. Es gibt einen China/Thai/Vietnam Laden im Ort und ein bisschen Abwechslung wäre eventuell nicht schlecht. Aber der Wirt (hier im Hotel gibt es heute kein Abendessen) hat mir das Hotel “Waldwinkel” empfohlen, auch weil es eine Gartenterrasse hat, das klingt bei den Temperaturen gut. Als ich dort ankomme, winken mir schon Johanna und David zu, und die Entscheidung ist gefallen. Das Essen ist gut (Pfefferschnitzel mit Kroketten und Salat), die Gesellschaft ausgezeichnet (Brettspiele mögen die beiden auch!) und der Abend schnell vorangeschritten. Dann hat man hier auch noch eine kleine aber feine Whisky-Karte und ich gönne mir einen Oban (wahrscheinlich der 14-jährige), der mich ein bisschen an den geplanten Hebridenurlaub erinnert.
Zufrieden wandere ich ein weiteres Mal quer durch Todtmoos, um noch diesen Bericht zu schreiben und dann wahrscheinlich schnell ins Bett zu sinken. Ein bisschen Wehmut ist dabei, dass morgen schon der letzte Tag ist, aber eine schlimme Wanderungsenddepression werde ich hier sicher nicht bekommen, dafür bin ich nicht weit genug weg und abgetaucht. Ich muss nur schauen, wie sich der Rückweg am Samstag gestaltet – hoffentlich wird der Streik der Lokführer morgen erst mal wieder ausgesetzt. Drückt mir die Daumen!
Tag 6 – Todtmoos nach Wehr oder Riesenhirsche, Eidechsen und Monsterzecken
Bilder des Tages: https://photos.app.goo.gl/KXCtGEf5WLbbg3JeA
Ja, die Freuden des Bahnfahrens. Ich sitze im ICE zwischen Freiburg und Basel, ganz komfortabel mit Klimaanlage und kostenlosen WLAN. Das Problem ist nur, dass der ICE nicht fährt. “Personen im Gleis” in Freiburg ist die Ansage. Wann es weitergeht? Keine Ahnung. Aber das gibt mir Zeit, mich meinem Reisebericht zu widmen, es steht ja noch ein Tag aus.
Gestern früh um 9 Uhr: Todtmoos verlasse ich unter dem Geleit der Kirchenglocken, zusammen mit einigen anderen Wanderern, aber keinen von meinen “üblichen Verdächtigen”. Heute soll es richtig warm werden (bis 29°C) und am späteren Nachmittag drohen Gewitter. Bis dahin will in Wehr sein. Zuerst geht es recht lieblich durch ein paar Wiesen und Feldern, und mit Schwarzenbach passiere ich noch einmal ein klassisch-idyllisches Schwarzwalddorf.
Dann ein Hinweisschild am Wegesrand. “Weg der Attraktionen”, “Der Größte Hirsch Europas”, “nur 8 Minuten vom Schluchtensteig”. Na gut, wie könnte ich bloß den größten Hirsch Europas auslassen? Über einen steinigen Pfad klettere ich den Hang hoch und erreiche den Hirsch – im Prinzip eine große Aufstelltafel, die hier über dem Örtchen im Tal prangt. Ist jetzt nicht so der Hammer, aber immerhin ist die Aussicht schön. Infotafeln erklären mir, dass man weitere Attraktionen bauen und neue Wanderwege erschließen will, um den Tourismus hier um Todtmoos weiter zu fördern. Sieht alles leicht angestaubt aus, aber vielleicht ist das auch nur Corona, das hier einiges zum Stoppen gebracht hat.
[Einschub: Der Zug fährt wieder! Das ganze wird mich eine Stunde kosten. Ich hoffe, es bleibt dabei… Nach dem Schienenersatzverkehr von Freiburg nach Offenburg, sitze ich nun im ICE nach Mannheim und kann den Laptop wieder auspacken. Weiter geht’s…]
Auf der Wanderroute erreiche ich als nächstes die Wehraschlucht, die letzte der Schluchten des Schluchtensteiges. Hier schlängelt sich der Weg wunderbar weit oben am Hang entlang und bietet immer wieder tiefe Einblicke in die Schlucht unter mir und die Landschaft voraus. Ein herrlicher Ort zum Rasten ist auch bald gefunden und ich lege meine Mittagsrast ein. Hier treffe ich Carsten wieder, der gestern Abend offensichtlich am anderen Ende des Ortes untergebracht, aber mit seinem Hotel nicht sehr zufrieden war.
Er bleibt noch sitzen als ich wieder aufbreche, und ich wandere in einem steten, wenn auch nicht sehr dichten Strom an Wanderer und Spaziergängern weiter, denn auch die Wehraschlucht ist offensichtlich ein beliebtes Ausflugsziel. Abrupt biegt der Weg ab, steil in die Schlucht hinunter. Unten überquere ich Wehra und Landstraße, dann geht es genauso steil auf der anderen Seite wieder hinauf. Ganz schön warm ist es inzwischen geworden und der Schweiß rinnt mir nur so aus den Poren.
Ein schmaler Weg zweigt vom Hauptweg ab, und mein GPS Track sagt mir, dass ich dem folgen sollte. Es erscheint mir nicht der eigentliche Schluchtensteig zu sein, aber er macht eine interessante Kurve auf die Höhe und sieht nett aus, also vertraue ich meinem Track, der nach etwas anderthalb Kilometern, wieder auf den Hauptweg führen sollte. Mein neuer Pfad ist ziemlich verwunschen und offensichtlich wenig benutzt. Ich überquere zwei munter plätschernde Bäche und komme aus dem Wald heraus auf einen Wiesenweg, der mit sehr vielen, wunderhübschen Margeriten bewachsen ist. Zahlreiche Eidechsen flitzen vor meinen Schritten davon und es ist wunderbar still.
Der Weg schlängelt sich oberhalb des Waldes in die richtige Richtung, wird dann aber immer überwucherter. Ich komme an einem Jägerstand vorbei und stehe plötzlich vor einen Dickicht aus Springkraut und mannshohen Brennnesseln. Hört der Weg hier auf? Ein Blick auf das GPS sagt mir, dass es vielleicht noch 20 oder 30 Meter bis zum eigentlichen Hauptweg sind, aber sehen kann man nichts. Also fasse ich mir ein Herz und breche – mit kurzer Hose – durch das Brennnesseldickicht. Aua, aua, aua!
Endlich habe ich es geschafft und stehe… mitten im Hang ohne einen Hinweis auf einen Weg. Da hinten und/oder unten muss irgendwo der Hauptweg sein, aber der Hang ist zu steil um dorthin zu klettern. Zurück? Wirklich die ganzen anderthalb Kilometer? Es hilft nichts, das ist meine einzige vernünftige Wahl. Nochmal aua, aua und beim Checken meiner Beine stelle ich fest, dass sie von gefühlt faustgroßen Zecken wimmeln. Weg damit, ihr bekommt nichts von meinem Blut!
Zurück geht es über den Wiesenweg, diesmal mit weniger wohlwollendem Auge für die Margeriten, die hierfür aber wirklich nichts können. Immerhin kann ich an einem der Bäche meine Flasche mit frischem und herrlich kalten Wasser auffüllen.
Zurück auf dem Hauptweg stelle ich fest, dass dieser gar nicht mehr weit ansteigt und dann ähnlich hübsch wie auf der anderen Talseite verläuft. Ich habe sicher eine Stunde verloren, und bestimmt sind alle meine Bekannten an mir vorbei gezogen. Werde ich ihnen heute nochmal begegnen? Unwahrscheinlich.
Aber ich begegne anderen Wanderern. Ebenfalls Schluchtensteiger, aber solche, denen ich bisher selten auf der Strecke begegnet bin, weil sie entweder deutlich später aufbrechen oder langsamer sind als ich. Da sind z.B. die beiden Stuttgarterinnen aus dem Hotel Hirschen in Fischbach, mit denen ich mich so nett auf der Terrasse unterhalten hatte. Schön, euch wiederzusehen! Wir Quatschen noch kurz, aber die beiden werden bald in Richtung Hasel abbiegen und nicht in Wehr übernachten.
Dann gibt es noch eine große Umleitung am Ende Etappe, da die Wehratalsperre, die den Ausgang der Schlucht bildet, gerade erneuert wird. Leider bedeutet das für die letzten Kilometer breite Wirtschaftswege in praller Sonne, aber auch das schaffe ich noch. Schließlich liegt Wehr vor mir, und ich erreiche die Wehra, die mich freundlich in das Städtchen geleitet.
Ich begegne den ersten “Angekommenen”, die schon auf dem Weg zu ihrem Hotel sind, denn das erste liegt hier noch einen guten Kilometer vor dem eigentlich Ende des Steiges. Mein Hotel ist aber glücklicherweise jenseits des Endpunktes, so dass ich nicht mit meinem Gewissen kämpfen muss, ob ich mir ein paar Meter spare. Dann ist die Endstation auch schon erreicht. Glücklicherweise sind ein paar andere Wanderer da, und man hilft sich wie üblich gegenseitig als Fotograf. 119 km (plus ein paar Extra) sind geschafft. Ein Kommentar eines “jungen Wandermannes” auf meine Feststellung, dass ich auch den ganzen Steig gemacht habe, ist “Sie sehen aber noch fit aus!” Danke, so fühle ich mich gerade aber nicht!
Also auf zur Dusche und zum Abendessen. Ich bin im Landgasthof “Zur Sonne”, der nochmal 800m die Straße mitten in einem Wohngebiet liegt. Erst sieht die Umgebung aus, als wäre nichts Besonderes zu erwarten. Aber dann öffnet sich das Sträßchen auf einen kleinen Brunnenplatz mit dem Hotel und einer “Kulturscheune”, wo man an den Vorbereitungen für eine Veranstaltung ist. Leider erst für morgen, wie ich auf Nachfrage erfahre.
Das Hotel ist sehr nett, rustikal, aber auch mit einem modernen Touch, und die Speisekarte sieht interessant aus. Eigentlich hatte ich ja gedacht noch in den Ort zu gehen, aber dann entscheide ich mich doch kurzerhand, hier zu essen.
Nach dem Duschen und einer ausgiebigen Zeckensuche – puh, keine hat sich festgebissen – und ein bisschen Sortieren der Fotos schlendere ich dann zum Restaurant rüber, und werde zu meiner Überraschung und großen Freude in einen gepflasterten Innenhof geführt, der von Ahornbäumen beschattet wird, wo fürs Essen gedeckt ist. Die Atmosphäre erinnert mich sofort an Südfrankreich. Hier werde ich den Abend sicherlich genießen können.
Was gibt’s zu Essen? Na, die Tagesempfehlung ist eine Bouillabaisse a la XY mit Sauce Z. Klingt super und Fisch ist immer gut. Für den schlimmsten Durst gibt es zuerst ein Rothaus, aber dann schwenke ich auf einen Weißwein von der tollen Weinkarte um und bereue es nicht! Die Bouillabaisse ist köstlich, genau wie der Wein, und sie passen auch noch perfekt zusammen. So lässt man erst gar keine Wanderenddepression aufkommen.
Nach dem Hauptgang ein Dessert mit selbstgemachtem Vanilleeis , weißer Mousse und warmen Schokaladentarte. Yum, darf ich hier bleiben? Und dann noch einen Espresso und Whisky: Islay Single Malt, und zwar einen Kilchoman, auch perfekt! So abgefüllt und gesättigt, sitze ich eine ganze Weile einfach nur noch hier im Hof, bei einem der schönsten Sommerabende, die dieses Jahr bisher zu bieten hatte. Nur schade, dass keiner meiner Freunde hier ist, das wäre ein wunderbarer Abend zum Teilen gewesen.
Schließlich wanke ich glücklich ins Gästehaus, in dem ich untergebracht bin. Schluchtensteig, Du hast Dich großartig verabschiedet, aber mein Abschied in Form des letzten Tagebucheintrags muss bis morgen warten, denn ich bin nicht mehr in der Lage einen geraden Satz zu tippen. Gute Nacht Schwarzwald, um die Heimreise kümmere ich mich morgen!
[Einschub: Inzwischen sitze im ICE von Mannheim nach Köln und es sieht so aus, als könnte sich die eine Stunde Verspätung nicht noch ausweiten. Ich habe mich von Verena verabschiedet – einer meiner Wanderbekanntschaften, die im gleichen Zug nach Hause fuhr, jetzt aber weiter Richtung Hanau unterwegs ist. Es war schön, noch ein bisschen Gesellschaft zu haben!]
Wenn euch diese Tour interessiert und ihr sie vielleicht selber machen möchtet, kann ich euch zum Schluss noch den Reiseanbieter empfehlen, über den ich gebucht habe: Abenteuerwege. Darüber waren alle Hotels und der Gepäcktransport zwischen den Stationen organisiert. Alles war gut organisiert und hat wunderbar geklappt. Außerdem wurde ich im Vorfeld hervorragend über alles Nötige informiert.
mit interesse und freude habe ich ihren bebilderten wanderbericht gelesen, auch wenn ich ihn nicht nachmachen werde. absolut anregend und wunderbare aufnahmen! vielen dank, dass ich durchnihre mutter karen zu dem tagebuch gekommen bin!
Hallo! Sehr schön, dass Ihnen der Reisebericht gefallen hat, das freut mich sehr.